Die Beckers und der Sießerkamp
Zur Geschichte der Flur Sießerkamp
In der Geschichte der Glasmacherfamilie Becker hat der sogenannte Sießerkamp eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Hier stand das Haus des Faktoren
Das Hüttengelände "Sießerkamp" liegt an der heutigen Kreisstraße K89, Straßenbezeichnung "Zur Altenauquelle" ca. 2-3 Kilometer nördlich von Blankenrode. Auf der Karte ist an dieser Stelle ein fast rechteckiger Rodungsplatz westlich des Straßenverlaufes erkennbar, direkt im Ausgang einer leichten Linksbiegung der Straße.
Durch die Orientierung der K89 in der Niederung am Verlauf der Altenau, liegt das Hüttengelände heute westlich der Straße, früher verlief die Straße nach Blankenrode in Nord-Süd-Richtung noch über den sogenannten "Heuweg", der fast parallell zum Triftweg auf halber Hanghöhe entlangläuft.
In dem Satellitenbild (Abb. 1) ist der Rodungsbereich des Sießerkamp mit dem roten Kreis markiert, die K89 östlich davon in gelb. Orange verläuft westlich vom Sießerkamp erst der Heuweg, weiter westlich der Triftweg. Die beiden quer dazu verlaufenden orangenen Wege sind heute Waldwege.
Im Laufe der Jahrzehnte und Jahrhunderte veränderte sich der Name jener Stelle zwischen Blankenrode und Holtheim ebenso stark wie ihr Aussehen. Waldgebiet, Rodungsfläche der Glashütte, Weidefläche, Streuobstwiese - heute ist der Begriff "Sieserkamp" oder auch "Sießerkamp" offiziell nur noch ein Flurname.
Dieser frühere Weg führte direkt durch die beiden Teile des Hüttengeländes hindurch (siehe Kartenausschnitt von 1836, Abb. 2), womit das Herrenhaus (siehe unten) unterhalb des Weges und abgetrennt von den beiden anderen Hüttengeländeteile lag.
Nochmals einige Jahre später zeigt die Karte von 1891 (Abb. 3) wieder den Sieserkamp. Die gestrichelt markierten Wege sind die Wege aus 1891, sowie jene Wegführungen (durchgezogene Linien), die bis 1912 entstanden. Die Verlegung der ursprünglichen "Hauptstraße" durch das Gelände ist bereits zu sehen. Dies ist nicht nur bezeichnend für die schwindende Bedeutung der Hütte, sondern vor allem ein Zeichen dafür, dass die zur Zeit ihrer Anlegung abgelegene Hütte, die nur durch - mehr oder weniger befestigte - Waldwege erreichtbar war, inzwischen durch das wachsende Netz an Straßen und Chauseen an den Rand geschoben werden musste. Immerhin war es für Verkehr ausgesprochen unsinnig, das Hüttengelände durchqueren zu müssen.
In dem Artikel "Einiges zur Geschichte der Glasindustrie im Kreise Büren"1 zitiert Lippert Freiherr v. Oeynhausens Statistiken des Kreises Büren für den Zeitraum 1862-75. Dort wird der Sießerkamp als Hohlglasfabrik "Siesterkamp" bei Fürstenberg im Besitz von Gustav Becker bezeichnet. Hermann-Josef Lippert nennt daneben noch die Bezeichnung "Systerkamp" als eine weitere Schreibweise.
Als Ursprung dieses ungewöhnlichen Namens wird ein mittelalterlicher Ort namens Syrexen angenommen, ursprünglich wird er im Jahre 836 erstmals erwähnt als "Sirikeshusen" in einem Verzeichnis des Corveyer Besitzes, in dessen Gemarkung der kleine Ort gehörte. Er soll 6-8 Hofstellen umfasst haben. Er war von keiner besonderen Bedeutung, entsprechend interessant finde ich, wie oft er doch in den Akten auftaucht. Vor allem zur Bezeichnung von Flurstücken wird er genutzt, zum Beispiel als "Sirexer Feld" (ich halte es für eher weniger wahrscheinlich, dass "Sirexer Feld" für die Bezeichnung "Sintfeld" steht).
Syrexen teilt das Schicksal vieler anderer Ortschaften des Sintfeldes, dem Hochplateau südlich von Paderborn, das sich rund um Bad Wünnenberg erstreckt. In diesem vergleichsweise kleinen Teil des Paderborner Hochfläche, der schon seit as teilweise in den Hochsauerlandkreis hineinragt., Nordrhein-Westfalen (Deutschland).
Über die Besiedelung und den Untergang des Ortes gibt es diverse Hinweise, sie stammen alle aus späterer Zeit und wurden aus der Nennung als "Villa", als . oder eben als reine Flurbezeichnung "Feld" geschlossen.
Untergang des Ortes
Eine ziemlich ungewöhnliche Schreibweise, die in dieser Form bisher auf keiner anderen Karte auftaucht, erscheint in einer Geländekarte von 1836. nämlich "Süsser Kamp"
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Ein Einer der ganz großen historischen Bewahrer der Glashüttengeschichte(n) gerade im Bezug auf den Sießerkamp und die Beckers war Karl Lippert zwei Vertreter der Familie Lippert (auch dies ein alter Glasmachername). Von ihm stammen diverse Artikel und unveröffentlichte ........
Die kleine Siedlung mit 6-8 Hofstellen (QUELLE) wurde vermutlich im mittleren oder späten Mittelalter zur Wüstung und wurde der während einer Stiftsfehde wüst fiel und wurde nicht wieder aufgerichtet.
Zur frühen Besiedelung des "Sirexer Feldes" (so eine andere Bezeichnung) gibt es diverse Hinweise,
Untergang des Ortes, der zur Zeit seiner Wüstwerdung um die 6-8 Hofstellen hatte, war eine Stiftsfehde. Sie brach als ein Konflikt der hohen Geistlichkeit (dem Bischof von Paderborn) mit den örtlichen Adeligen aus und endete im Jahre 1395 nach erst gut elf Jahren. Nicht nur das kleine Syrexen gehörte zu den Opfern. In der Region Sintfeld gingen insgesamt 38 Ortschaften unter. Das "Syrexer Feld" umfasste ca. 10 Hektar. Wo genau die Siedlung lag, ist nach Hermann-Josef Lippert2 nicht mehr feststellbar.
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1561-63 gab es zwischen dem Dahlheimer Kloster und und anderen Streitigkeiten um Grashude und Weide in den Dalheimschen Marken Sirexen, Nutlon (...)3, ebenso 1601
1429 kam diese Fläche in den Besitz des Klosters Dalheim, 1803 im Zuge der Säkularisation zum preußischen Staat. Sowohl Blankenrode als auch die anderen umliegenden Ortschaften nutzten zu dieser Zeit das "Syrexener Feld" als Hudeplatz. Eine Aufnahme von Google Maps zeigt den Verlauf zweier Wege, deren Name schon ihre Bedeutung klar macht und aufzeigt, dass der Sießerkamp an einer exponierten Stelle lag.
Der Triftweg (von nordwest nach Süden in Richtung Blankenrode verlaufend) führt der Triftweg ("Trift" steht als eine Ableitung des Wortes "treiben" für den Weg, den das Vieh zwischen der Hute und dem Heimatstall benutzte), ein Heuweg führt von Norden aus nach Süden in Richtung Blankenrode an der Westflanke der Hütte vorbei.
Gen Westen führt ein alter Weg von der Hütte weg hin zum Triftweg, direkt am nordwestlichen Eckpunkt der Hütte abgehend. Karl Lippert beschreibt, dass dies "ein Rest der alten Straße" sei, und dort noch ein altes Holzschild mit der Bezeichnung "zur Glashütte" stand.
Die alte Straße wurde beim Bau der Kreisstraße verlegt und macht dias Hüttengelände von der Straße aus gesehen so wenig auffällig.
1825 kaufte der Glasfabrikant Carl Christian Becker, ein Glasfabrikant vom Uhrenberge bei Dahl, den Sießerkamp zur Anlage einer Glasfabrik. Eine Verkaufsurkunde der Regierung von Minden gibt davon Kunde1 und 2.
Der Uhrenberg, eine Höhe zwischen Dahl (heute Stadtbezirk von Paderborn) und Herbram, war seinerzeit eine bedeutende Glashütte, die sogar im französischen "Dictionnaire géographique universel" von 1833 als "grande verriere" Erwähnung findet. Carl Christian Becker war der Sohn des Glasmachers Heinrich Wilhelm Becker und dessen Ehefrau Wilhelmine Schild. Geboren 1787 wurde er ebenfalls auf einer Glashütte - der Hütte "Helle".
Becker soll ein Fabrikbesitzer "alter Schule" gewesen sein. Die Beschreibungen schildern ihn als einen jener strengen, dabei väterlichen, erfolgsorientierten, dabei durchaus fürsorglichen Arbeitsgeber. In seiner Firmenführung war er so erfolgreich, dass er die Hütte in Alten-Böddeken aufkaufen konnte, die 1808 durch einen anderen Becker gegründet worden war. Der dort liegende Glasmacherfriedhof, der 2008 wieder geweiht wurde, wurde durch Carl Christian angelegt und 1854 eingeweiht. Auch Oeventrup kam in dieser Zeit des wirtschafltlichen Erfolges in seinen Besitz.
Amalie, die Ehefrau von Carl Christian, stammte ebenfalls aus einer Glasmacherdynastie, deren Geschichte mindestens so interessant und weit gefächert ist wie die der Beckers: Die Glasmachersippe Wiegand.
Geboren als Tochter des "Glasfabrikanten Wiegand" vom Glaswerk Feldtengansen (östlich von Brakel, wird Amalie zum Zeitpunkt ihrer Hochzeit mit Carl Christian als "von der Emder-Glashütte" bezeichnet, die östlich von Driburg lag.
Hermann-Josef Lippert2 beschreibt, dass Carl Christian vor Anlage der Hütte mit Hilfe eines Wünschelrutengängers zunächst das Areal sondierte - auf der Suche nach einem Brunnen. Von der Lage dieser Wasserquelle aus plante Becker dann die Lage und Ausrichtung der Fabrik.
Die Bezahlung des Hüttenortes wurde durch ein Erbschaftsgeld geregelt. Der erste Teil der Zahlung betrug 40 Taler, 20 Silbergroschen, sowie eine Grundsteuer von 1 Taler und 15 Silbergroschen. Jährlich war ein Erbpachtzins von 16 Talern und 8 Silbergroschen an die Forst- und Domänenkasse in Lichtenau fällig. Über diese Erbpacht leistete Becker den Restbetrag ab. Wahrscheinlich 1836 wurden die letzten Zahlungen geleistet. Die Geschäfte liefen gut.
Die Glashütte Sießerkamp, es war eine Glasfabrik, bei weitem umfangreicher als die früheren (Wander-) Glashütten, bestand neben dem eigentlichen Fabrikgebäude aus Lager, Scheunen und Stallungen, sowie dem Becker'schn Herrenhaus und Wohnhäusern für Familien (Hermann-Josef Lippert nennt insgesamt 10 Häuser).
Carl Christian wollte dafür sorgen, dass die Kinder seiner Mitarbeiter die Siedlung nicht verlassen mussten - sicher nicht ganz uneigennützig - und ließ außerdem eine evangelische Privatschule anlegen.
Hermann-Josef Lippert beschreibt den Garten, den Becker nördlich des Herrenhauses anlegen ließ:
"Nördlich der Hüttengebäude und des Herrenhauses ließ Becker sich einen prächtigen Garten anlegen. Es wuchsen darin sogar einige exotische Ziergehölze. Überwiegend pflegte er darin aber erlesene Obstbäume und Beerensträucher. Sie trugen noch weit bis in unser Jahrhundert hinein reichliche und wohlschmeckende Früchte. Zum Teil leben ihre "Nachkommen" noch heute in Blankenroder Hausgärten, auch bei mir in Düsseldorf.
Zur Straße hin schützte eine gepflegte Hecke den Garten. Die "Pättkes" waren mit Buchsbaum gefasst, der mehrmals im Jahr sauber und exakt geschnitten wurde."
Über die Art des Betriebes gibt die bereits mehrfach erwähnte Beschreibung von Hermann-Josef Lippert genau Auskunft.
Als sogenannte Fabrik der "4. Generation" war sie ein stationärer Betrieb mit mehreren eigenständigen Arbeitsstellen bzw. Räumen, denen die jeweiligen Arbeitstaufträge zugewiesen wurden, die sie im Rahmen einer Arbeitsteilung betrieben. Dazu gehörten: die Glasherstellung, Kühlofen, Formenmacherei, Schleiferei, Verpackung, Versand, Lager für sowohl Materialien als auch Waren, Holzrösterei, Pottaschenbereitung und Verwaltung.
Auf dem Sießerkamp war ein Langofen in Betrieb, der aus festem Sanstein gefertigt war. Noch immer war es der Ton aus Großalmerode, der das Material für die Glashafen bildete. Anhand von Funden auf dem Hüttengelände weiß man, dass neben dem durchsichtigen Glas auch grünes, rotes, braunes, milchweißes und blaues Glas gefertigt wurde. Sie stellten Gläser, Flaschen etc. in Hohlglasform her.
Sowohl die Anlieferung der Rohmaterialien als auch der Abtransport der Fertigwaren geschah über Esel, anders ließen sich die unwegsamen Strecken durch die Wälder mit der zerbrechlichen Fracht kaum erfolgreich zurücklegen. Später lösten Pferdefuhrwagen auf besseren Straßen die Eselkarawanen ab.
Laut Berichten hat Carl Christian bis in sein 75. Lebensjahr hinein das Imperium, das zu dem Zeitpunkt aus drei Glashütten bestand, selbst geleitet. Erst 1862 gingen die Hütten in die Hände zweier seiner Söhne: Rudolf (Daten unbekannt ?? ) und Gustav (*1830 ??) über.
August Wilhelm (* Daten unbekannt ???) wurde ausbezahlt und ging nach Westpreußen, um dort die Glashütte Eisenbrück zu gründen, Carl Wilhelm (*1842) ging ebenfalls nach Westpreußen und gründete dort die Hütte Neukrug bei Danzig.
Nach der Geschäftsübergabe an seine Söhne zog sich Carl Wilhelm vom Sießerkamp zurück und zog gemeinsam mit seiner Frau nach (Bad) Karlshafen, in das Haus seiner Tochter Minna, die - in guter Glasmachertradition - wiederum einen Glasmacherahnen geheiratet hatte: Friedrich Wentzel. Dort starb Carl Christian 1868 (nach anderen Angaben 1869), Amalie zwei Jahre später.
Wie groß der Stolz des Carl Christan Becker gewesen sein muss und welche Bedeutung er sich, seiner Position und Familie zugemessen hat, wird auf dem Familienfriedhof Becker deutlich, der sich im Waldgebiet direkt an das ehemalige Glasfabrigelände anschließt.
Auf der rechts stehenden Fotografie ist der große Grabstein von Carl Christian Becker und seiner Frau Amalie zu sehen (eine Detailaufnahme findet sich darunter).
Gustav und Rudolf Becker gelang es nicht, das "Becker'sche Glasimperium", wie man die Firma landläufig auch nannte, weiterhin erfolgreich zu betreiben.
Zunächst gingen 1881 die Schwesterhütte in Alten-Böddeken und Oeventrup in Konkurs. Ein Jahr später auch der Sießerkamp. Die beiden Hütten wurden zwangsversteigert und Gustav Becker blieb nichts anderes übrig als seinen Besitz aufzugeben und als Pächter auf die Glashütte Siebenstern zu gehen, die auch zum Glasimperium der weit verzweigten Beckerfamilie gehört hatte. Rudolf Becker verschwindet aus den Annalen.
Das Gelände des Sießerkamp gelangte mit der Versteigerung 1881 in den Besitz eines Fuhrunternehmers. Aloys Köster aus Haaren kaufte neben dem Land auch alle Gebäude und Installationen auf - und versuchte sich selbst als Glasmacher. Allerdings zeigte sich rasch, dass es nicht (mehr) möglich war, die Hütte unter den vorhandenen Bedinungen auch nur kostendeckend zu betreiben. So kam es zu dem Entschluss, die Hütte zu schließen - das Ende des Sießerkamp als Glashüttenstandort. Ihrer beider Schwiegersohn Friedrich Wentzel kaufte nach Angaben von Karl Lippert nach dem Konkurs 1882 den Familienfriedhof und bewahrte ihn so.
Die nun arbeitslos gewordenen Glasmacher zogen weiter - Lippert berichtet, dass sie teilweise nach Schlesien oder Böhmen gingen, sofern es ihnen nicht gelang, auf einer näherliegenden Glashütten eine neue Anstellung zu bekommen.
Das Herrenhaus des Sießerkamp nach seiner Verlegung Man versuchte die Gebäude so gut wie möglich zu Geld zu machen, verkaufte sie und brach sie ab, um sie anderswo wieder aufzubauen. Auch das Herrenhaus, das ein wirkliches Schmuckstück gewesen sein muss, fand eine neue Heimat. Der Sohn von Aloys Köster verkaufte das Steinhaus an einen Verwandten in Meerhof. Dort wurde es 1912 wieder aufgerichtet und stand dort bis zu seiner endgültigen Niederlegung.
Der brach liegende Sießerkamp wurde zu großen Teilen aufgeforstet und ist heute eine stille, vergessene Wiese. Die Stelle, die bis heute “Auf der Hütte" heißt, liegt unauffällig direkt neben der Kreisstraße 69 "Zur Altenauquelle", etwa 2-3 Kilometer nördlich des Ortsausgangs von Blankenrode, etwa auf halber Strecke zwischen Blankenrode und Marschallshagen/Holtheim.
Von der Straße aus ist nicht zu erkennen, dass hier ein kleines Stück großer Geschichte liegt. Auf dem ehemaligen Fabrikgelände ist nur ein Brunnen und der Gewölbekeller des Fabrikantenhauses erhalten. Der Keller ist durch eine Gittertür verschlossen.
Quellen:
1 Lippert, Karl - "Einiges zur Geschichte der Glasindustrie im Kreise Büren", erschienen in "Heimatbuch des Kreises Büren", P.R. Esser, Büren, 1923
Wigand, Paul - Archiv für Geschichte und Alterthumskunde Westphalens, Verlag Meyer, 1828
2 Lippert, Hermann-Josef - "Die Blankenroder Glashütte auf Siesserkamp 1826-1883 - Ein Beitrag zur Blankenroder Chronik", Blankenrode im Mai 1982, unveröffentlichtes Manuskript
3 Landesarchiv NRW Abteilung Westfalen - http://www.archive.nrw.de/LAV_NRW/jsp/findbuch.jsp?archivNr=1&verzguid=Vz_a737ea3d-fae4-4dfa-93c9-1d95e572c2a7
http://www.naturpark-teutoburgerwald.de/
http://www.westheim.org
Landwirt Aloys Köster, geboren 9.11.1842, verheiratet seit 2.9.1871 mit Agatha von Rüden, wohnte zuerst auf der Glashütte in Altenböddeken, verzog dann nach Blankenrode, wo er durch Zuschlagsurteil vom 9.12.1882 in der Zwangsversteigerung die Glashütte Siesserkamp erwarb. Im Jahre 1825 erwarb Glasfaktor Karl Christian Becker, geb. 29.12.1787 und gestorben am 10.10.1868, vom preussischen Fiskus in der waldreichsten Gegend des untergegangenen Dorfes Sirexen zur Errichtung einer Glasfabrik etwa 40 Morgen. Im Kreise Büren waren noch weitere Glasfabriken bei Fürstenberg, Altenböddeken, bei Wewelsburg und Marschalshagen bei Holtheim; letztere Fabrik hat sich am längsten gehalten. Glasfaktor Karl Becker zu Siesserkamp wird als Geldgeber in der Geschichte des Fernandshofes erwähnt.
Da die Glashütte Siesserkamp inmitten der ausgedehnten Waldungen einsam lag, war die Versuchung zu Holz- und Wilddiebstählen für die Glasarbeiter eine große. Beim Verkauf war auf Antrag des Forstfiskus für den Käufer, den Glasfaktor Karl Becker, im Grundbuch Abt. II die Verpflichtung eingetragen, die Glasarbeiter vor Holz- und Wildfrevel wirksam zu bewahren; andernfalls konnte der Besitzer für den Schaden haftbar gemacht werden.
Durch Vertrag vom 21.3.1862 übernahm Glasfaktor Gustav Becker von seinem Vater Karl den Grundbesitz mit aufstehenden Fabrik- und Wohngebäuden. In den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Glashütten in den ländlichen Gegenden immer mehr. Mangelnder Absatz, Verkehrsschwierigkeiten in der Anfuhr der Rohmaterialien und Abfuhr der Fertigwaren waren für die schlechte Rentabilität die Hauptgründe. Marschalshagen kam erst Herbst 1914, mit Beginn des Weltkrieges, zum Erliegen. Auf Siesserkamp herschte in der Mitte des vorigen Jahrhunderts ein reges Leben. Es war sogar eine evang. Privatschule eingerichtet, die bei ihrer Auflösung (1877) 12 Schüler zählte.
Gustav Becker übernahm in den Zeiten gutgehender Konjunktur noch die Glasfabriken in Öventrop und Altenböddeken. Aus dem Grundbuch ersieht man seine wachsenden finanziellen Schwierigkeiten. Am 6.9.1878 erhielt er eine Hypothek von 12400 Mark, und zwar von der Kreissparkasse Büren; im folgenden Jahre wurden weiter eingetragen für den Fabrikbesitzer Friedrich Wetzell zu Hannoversch-Münden, anscheinend einem Schwager von Becker, 12000 Mk und 18000 Mk für den Bruder des Besitzers von Siesserkamp, den Gutsbesitzer C.W. Becker zu Heukrug in Westpreußen. Der Zusammenbruch der Glasfabriken Oventrop und Altenböddeken zog den von Siesserkamp naturgemäß nach sich. Am 9.3.1882 wurde das Konkursverfahren gegen Gustav Becker eingeleitet.
Aloys Köster erwarb zum Höchstgebot von 14650 Mark Siesserkamp, während Fabrikbesitzer Wetzell die Friedhofsparzelle, Flur 5, Nr.20/I zur Größe 1,50 Ar für 50 Mark ersteigerte. Auf dem Friedhof zu Siesserkamp wurde auch Gustav Becker, der nach seinem Wegzuge die Glasfabrik Siebenstern bei Driburg gepachtet hatte, neben seiner Gattin und seinen Eltern begraben. Der neue Besitzer Köster wohnte zuerst auf Siesserkamp, legte schon bald die unrentabele Glashütte still, die mit anderen Häusern abgebrochen wurde.
Das alte Herrenhaus ist in Meerhof wieder aufgebaut. An die frühere Glashütte erinnern heute nur Obstbäume und eine Kelleröffnung. Der Grundbesitz der früheren Glashütte dient heute hauptsächlich Weidezwecken und wird vom "Kondokterhofe" aus bewirtschaftet.